Skip to main content

Die Technik bei einem mechanischen Chronographen ist extrem anspruchsvoll. Neben der Repetition und dem Tourbillon gehört der Chronograph (also die Stoppfunktion) zu den anspruchsvollsten Komplikationen der mechanischen Uhrmacherei. Hier zeigen wir eine Reihe von historisch sehr bedeutenden Uhrwerken, die die Entwicklung des modernen mechanischen Chronographen massiv mit geprägt haben.

Valjoux 23

Der Name Valjoux ist heute hauptsächlich mit dem weit verbreiteten ETA Kaliber 7750 verbunden, das jedoch einst in der Uhrwerkfabrik Valjoux im Vallée de Joux entwickelt und hergestellt wurde, bevor das Unternehmen Teil der späteren Swatch Group wurde. Die Erfolgsgeschichte von Valjoux begann jedoch mit dem Kaliber 23, dessen Ursprünge bis ins Jahr 1916 zurückreichen. Ab 1938 wurde das 13-linige Uhrwerk (ungefähr 30 mm) mit zwei Drückern ausgestattet und wurde zum beliebten Standardkaliber für viele Armbandchronographen, sowohl militärische als auch zivile Modelle. Das Uhrwerk wurde bis in die frühen 1970er Jahre kontinuierlich weiterentwickelt und führte zu den Kalibern 72 (noch mit einer Unruhfrequenz von 18.000 A/h) sowie später zu den Kaliberfamilien 230 und 720, die eine höhere Unruhfrequenz von 21.600 A/h aufwiesen.

Venus 175

Auch die Venus-Kaliber erfreuen sich bei Sammlern eines hervorragenden Rufs. In China wird sogar das berühmte Kaliber 178, das mit einem Stundenzähler ausgestattet ist, nahezu unverändert produziert. Dies geschah nach den turbulenten Jahren der „Quarzkrise“, in denen viele Schweizer Werkzeugmaschinen auf dem Markt waren. Die Venus-Kaliber gab es in verschiedenen Versionen, darunter solche mit Schleppzeiger, Kalenderanzeigen oder Mondphasen, sowie in verschiedenen Kombinationen dieser Komplikationen. Die charakteristische Form der Brücken und Kloben, die moderate Unruhfrequenz von 18.000 A/h und das Schaltrad als Steuerzentrale für die Chronographenfunktionen zeichnen die Venus-Uhrwerke als Produkte der frühen Nachkriegszeit aus.

Longines 13 ZN

Die Manufaktur Longines war einst ein bedeutender Spezialist für Chronographen, was Uhrenfans durchaus bekannt sein dürfte. Allerdings bezog Longines bis in die 1940er Jahre hinein Rohwerke von Valjoux statt eigene Kaliber zu fertigen – so wie viele andere prominente Hersteller. Im Jahr 1936 entschied man sich jedoch in St. Imier, eine entscheidende Veränderung herbeizuführen und das seit 1913 produzierte Chronographenkaliber 13.33Z zu ersetzen. Dies geschah, weil die eigenhändige Montage dieses Kalibers im Laufe der Zeit zu kostspielig wurde (daher auch die Akquisition von 13- und 15-linigen Rohwerken von Valjoux). Das Kaliber 13 ZN war daher, auch wenn dies heute vielleicht nicht mehr so erscheint, ein äußerst modernes und fertigungstechnisch optimiertes Produkt, das eine effiziente Montage mit weniger Justierung und Nachbearbeitung ermöglichte. Damals waren 18.000 Halbschwingungen pro Stunde (2,5 Hertz) immer noch der Standard, und ein aus massivem Material gefrästes Schaltrad diente als Steuerzentrale für die Chronographenfunktionen.

Lemania CH27

Auch die Chronographenwerke aus der Fabrik von Alfred Lugrin im Vallée de Joux waren in den vierziger und fünfziger Jahren mit einem Schaltrad ausgestattet, was sie heute zu begehrten Sammlerstücken macht. Nahezu alle neuen Chronographenkonstruktionen, die von Natur aus hochwertig und kostspielig sind, legen besonderen Wert auf das aufwendige Frästeil, das im Zentrum der Funktion und Kommunikation steht. Die Manufaktur Breguet, zu der der Uhrwerkhersteller Lemania heute gehört, bewahrt das Erbe der klassischen Schaltradkaliber in zahlreichen eigenen Chronographenmodellen und hat die Verfügbarkeit von Rohwerken für andere Unternehmen drastisch reduziert. Letztendlich war dies auch der Grund, warum die Genfer Nobeluhrenmanufakturen begonnen haben, sich verstärkt um eigene Konstruktionen zu kümmern, wie im nächsten Kapitel dargestellt.

Landeron 48

Die Betreiber der Uhrwerkfabrik in Le Landeron, einem Vorort von Neuchâtel (oder wie man es in Deutschland nennt „Neuenburg“), hatten wenig Interesse an edler Manufakturtechnik für kostspielige Chronographen. Ihre Herangehensweise war geprägt von der Idee größerer Stückzahlen, effizienterer Fertigung und preiswerteren, funktionalen Produkten. Ihr Kaliber 48 aus dem Jahr 1937 wird von vielen Uhrenkennern als Pionier der Kulissenschaltung angesehen. Bei dieser Konstruktion ersetzen übereinander geführte Stahlhebel mit halbrunden Nockenprofilen und Stiften das aufwendige Frästeil in Form des Schaltrads. Sammler könnten gegenüber dieser sogenannten Schiffchen- oder Nockensteuerung skeptisch sein, da das Schaltrad ein aufwendiges Frästeil ist, während die Kulissenhebel nur gestanzt werden. Aber genau hierin lag die Möglichkeit zur Einsparung von Fertigungszeit und Produktionskosten, was in den 1960er Jahren nahezu die gesamte Industrie dazu bewegte, auf diese Technologie umzusteigen. Erst in den letzten Jahren wurden im Zuge der Fokussierung vieler Marken auf Manufakturkaliber wieder vermehrt Kaliber mit Schaltrad gefertigt.

Breitling / Heuer Cal. 11

Gegen Ende der 1960er Jahre wurde die Nachfrage nach Chronographenwerken mit automatischem Aufzug immer stärker. Normale Dreizeigeruhren mit Handaufzugswerken waren fast nicht mehr verkaufsfähig und die aufkommende Quarztechnologie stellte eine verlockende Alternative für viele Uhrenträger dar. Das bei Armbanduhren vorherrschende Platzproblem auf der Werkseite konnte bei einer neuen Konstruktion durchaus gelöst werden. Die Entwicklungsgruppe, bestehend aus Heuer, Breitling, Dubois-Dépraz und Hamilton-Büren, präsentierte am 3. März 1969 ihr Kaliber 11. Beide Uhrenmarken genossen einen hervorragenden Ruf als Spezialisten für robuste und professionelle Zeitmesser. Breitling hatte bisher hauptsächlich mit dem Werkehersteller Venus zusammengearbeitet, während Heuer seine Handaufzugskaliber von Valjoux bezog. Für die gemeinsame Entwicklung eines modernen Chronographenwerks mit automatischem Aufzug zogen sie zwei externe Spezialbetriebe hinzu: Die Büren Watch Co. war erfahren in der Herstellung von kompakten Automatikwerken mit Mikrorotoren, und Dubois-Dépraz hatte zuvor bereits Chronographen-Baugruppen und Module entwickelt, die auf Handaufzugswerken aufgebaut wurden. So entstand ein technisch interessantes, wenn auch recht dickes Uhrwerk, das einen vollständig umbauten Mikrorotor in der Mitte des Werks und ein recht einfaches Hebelsystem mit Kulissenschaltung aufwies. Sowohl für Breitling als auch für Heuer war die kostengünstige Produktion und die Funktionalität im Vordergrund. Damals waren Sichtglasböden im Gehäuse noch unbekannt und mechanische Uhrwerke waren nichts Besonderes, sondern die Norm.

Zenith El Primero

Während das Heuer / Breitling Kaliber 11 mit einer Unruhfrequenz von eher gemächlichen 19.800 A/h arbeitete, setzte Zenith bei der Konstruktion ihres eigenen Automatik-Chronographen auf atemberaubende 36.000 A/h, was präzise Messungen bis auf die Zehntelsekunde ermöglichte. Das Lastenheft für die Kaliber 3019 PHC (mit Datum) und 3019 PHF (mit Vollkalender und Mondphasen) enthielt weitere ambitionierte Anforderungen, die dazu führten, dass das Uhrwerk auch heute noch zeitgemäß und fast modern erscheint. Die vergleichsweise geringe Höhe des Uhrwerks verdankte es einer Konstruktion, bei der der Aufzugsmechanismus nicht hinten auf dem Werk verschraubt wurde, sondern in das Werk selbst integriert war. Wie die Geschichte zeigt, gewann Zenith mit einer übereilten Produktpräsentation am 10. Januar 1969 den Wettlauf gegen Heuer / Breitling und nannte das neue Werk stolz „El Primero“.

Zenith El Primero 410 Uhrwerk

Zenith El Primero 410 Uhrwerk

Seiko 6139

Die ersten Zenith-Uhren mit dem neuen Kaliber kamen erst im Herbst 1969 auf den Markt. Zu diesem Zeitpunkt war bereits auf der anderen Seite der Welt ein Automatik-Chronograph mit der Bezeichnung „Speed Timer“ erhältlich: Seiko hatte im Sommer 1969 die ersten Produktionschargen des neuen Kalibers 6139 fertiggestellt. Bei diesem Werk handelte es sich um eine recht traditionelle Konstruktion mit einer Unruhfrequenz von 3 Hz, bzw. 21.600 A/h, die dem damaligen Standard entsprach, aber dennoch einige interessante Details aufwies. Der Chronographen-Mechanismus verfügte über eine verlustarme axiale (vertikale) Kupplung, die in den letzten Jahren von vielen Manufakturen wieder als höchst effizient angesehen wird. Die Funktionen wurden über ein klassisches Schaltrad gesteuert und der Aufzug mit Zentralrotor übertrug seine Kraft mithilfe eines sogenannten „Magic Lever“ genannten Hakenhebel-Mechanismus auf das Räderwerk bis hin zum Federhaus.

ETA Valjoux 7750

Als Edmond Capt im Jahr 1970 mit der Entwicklung des Kalibers 7750 begann, hatte er freie Hand. Seine Vorgesetzten erkannten, dass die alten Valjoux-Baumuster nicht einfach mit einer Automatik-Gruppe nachgerüstet werden konnten, da zu viele Komponenten den Weg für die Energieübertragung vom Rotor zum Federhaus versperrten. Der Konstrukteur entschied daher, auf die klassische Kupplungswippe zu verzichten und stattdessen einen Schwingtrieb einzusetzen, der aufgrund seiner einfachen Bauweise und der geringen Masse der Komponenten sehr geschätzt wurde. Aus Kostengründen wurde auch eine stanzbare Kulissenschaltung anstelle des gefrästen Schaltrads / Säulenrads verwendet.

ETA Valjoux 7750 in einer IWC Portugieser Chronograph Ref. 3714

ETA Valjoux 7750 in einer IWC Portugieser Chronograph Ref. 3714

Das Kaliber 7750 hatte einen Durchmesser von 30 mm und eine Höhe von 7,9 mm. Es war mit einem kugelgelagerten Aufzugsrotor ausgestattet und hatte eine Schlagzahl von 28.800 A/h. Nach dem Ende der „Quarzkrise“ wurde das Kaliber 7750 im Portfolio des fusionierten Uhrwerkherstellers ETA populär und hält bis heute den Produktionsrekord für Chronographenwerke. Es dürften in fast 50 Jahren einige Millionen Exemplare hergestellt worden sein, wobei selbst Hersteller wie IWC Schaffhausen oder Breitling auf die legendären 7750 Kaliber setzten und diese Werke in mehr oder weniger modifizierter Form bis heute verbauen.